Oktober12

Die Ostseeinsel Hiddensee, verwunschene Nachbarin Rügens, steht seit langem im Ruf, eine Künstlerinsel zu sein. Viele begeisterte sie, doch einen lockte sie ganz besonders: Der Schriftsteller Gerhard Hauptmann ist unter den prominentne Namen heute besonders präsent, weil sein Haus noch immer im Herzen von Kloster, dem nördlichsten Dorf auf Hiddensee, liegt. Von hier ist es nah zum Strand, aber auch zum Leuchtturm im Dornbusch.

Gerhart Hauptmann kam 1885 zum ersten Mal auf die Insel. Er war damals 22 Jahre alt und auf Hochzeitsreise.
Sein erstes Gedicht Mondscheinlerche deutet schon an, dass er sich damals auch in die Insel verliebte und daher in vielen folgenden Sommern wiederkehrte:
Von dem Lager heb’ ich sacht
meine müden Glieder;
eine warme Sommernacht
draussen stärkt sie wieder.
Mondschein liegt um Meer und Land
dämmerig gebreitet;
in den weissen Dünensand
Well’ auf Welle gleitet.
Unaufhörlich bläst das Meer
eherne Posaunen;
Roggenfelder, segenschwer,
leise wogend raunen
Wiesenfläche, Feld und Hain
zaubereinsam schillern;
badend hoch im Mondenschein
Mondscheinlerchen trillern.
“Lerche sprich, was singst du nur
um die Mittnachtsstunde?
Dämmer liegt auf Meer und Flur
und im Wiesengrunde.”
Will ich meinen Lobgesang
halb zu Ende bringen,
muss ich tag- und nächtelang
singen, singen, singen!”
Der spätere Literaturnobelpreisträger residierte auf Hiddensee oft im Haus Seedorn, einer alten Villa mit großem Garten, die er 1930 schließlich kaufte und durch einen Anbau erweiterte. Das Verbindungsstück gestaltete er wie einen gotischen Kreuzgang, auf dem er gerne auf- und abging und seine Texte diktierte. Auf Hiddensee entstanden daher große Teile seines Alterswerkes.
Das Gerhard-Hauptmann-Haus, wie es heute heißt, ist Besuchern zugänglich. Im Eingangsbereich führt eine kleine Ausstellung in Hauptmanns Leben und Werk ein. Wenn man beim Lesen auf der gemütlichen Bank im Windfang sitzt und das Glück hat, die dort dösende Hauskatze zu streicheln, fühlt es sich wirklich ein bisschen so an, als sei man bei Herrn Hauptmann zu Gast. Zumal der Hausherr nicht nur den Blick in sein Arbeitszimmer mit dem wuchtigen Schreibtisch und anderen originalen Einrichtungsgegnständen freigibt, sondern auch Einblick in seinen Weinkeller gewährt.

Im Obergeschoss stehen sogar die Türen zu den Schlafzimmern auf und offenbaren eine weitere Eigenart des Schriftstellers. Häufig von Schlafstörungen geplagt, wachte er nachts oft auf und notierte sich dann seine Traumerinnerungen - in dringenden Fällen auch gerne direkt auf der Schlafzimmerwand. Noch heute sieht man seine Handschrift über dem Bett, die unter anderem tiefe Einsichten wie diese notierte:
“Schweigen ist die größte Kunst”
Durchaus bemerkenswert für einen Mann des Wortes. Mit seinen Träumen beschäftigte sich Hauptmann offenbar intensiv und er scheint durchaus lebhaft geträumt zu haben. Nicht ohne Grund bemerkte er einmal:
“Mein Tagewerk besteht eigentlich nur darin, dass ich über das nachdenke, was ich im Traum gesehen und gedacht habe.”

Bei seinem letzten Aufenthalt auf Hiddensee (1943) entstand ein weiteres Gedicht auf die Insel, das den Kreis schließt:
„Hier, wo mein Haus steht,
wehte einst niedriges Gras:
ums Herz Erinnerung weht,
wie ich dereinst
mit Freunden hier sass.
Wir waren zu drein,
vor Jahrtausenden mag es gewesen sein.
Es war einsam hier,
tief, tief!
So waren auch wir.
Verlassenheit über der Insel schlief.
Dann kam der Lärm,
ein buntes Geschwärm:
entbundener Geist,
verdorben, gestorben zuallermeist.
Und nun leben wir in fremdmächtiger Zeit,
verschlagen wiederum in Verlassenheit.
In meines Hauses stillem Raum
herrscht der Traum.”
Gerhard Hauptmann starb 1946 in Schlesien, doch wurde auf eigenen Wunsch auf Hiddensee bestattet.