Buchextrakt (10) David Foster Wallace: Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich
Beruflich eine Luxus-Kreuzfahrt durch die Karibik zu erleben, um als Gegenleistung ein bisschen über das Leben an Bord zu schreiben, klingt verlockend. Für David Foster Wallace wird der Trip allerdings zum Albtraum.
Für seine Reportage taucht er tief ein in einen Urlaub, der sich schon bald als fremde Parallelwelt entpuppt. Der Autor schildert amüsante Begebenheiten, macht sich aber nicht einfach über die amüsierwilligen reichen Rentner lustig, sondern nimmt die Strukturen des Vergnügungsdampfers genau unter die Lupe. Seine messerscharfe Beobachtungsgabe schneidet tief in die Eingeweide der Luxusmaschinerie – und unterhält dabei sehr gut
“Ich habe erwachsene US-Bürger aus dem gehobenen Mittelstand gehört, erfolgreiche Geschäftsleute, die am Info-Counter wissen wollten, ob man beim Schnorcheln nass wird, ob Skeetschießen im Freien stattfindet, ob die Crew ebenfalls an Bord schläft oder um welche Uhrzeit das Midnight-Buffet eröffnet wird. Ich kenne die feinen cocktailogischen Unterschiede zwischen einem Slippery Nipple und einem Fuzzy Navel. Ich weiß, was ein Coco Inco ist. In einer einzigen Woche war ich 1500 Mal Zielobjekt des berühmten amerikanischen Service-Lächelns. Ich hatte zweimal Sonnenbrand, und zweimal hat sich die Haut geschält. Ich habe auf See Tontauben geschossen. Reicht das? Damals schien es nämlich nicht zu reichen.”
Selbstreflexion bleibt auch nicht auf der Strecke. So bemerkt der Autor Veränderungen am eigenen Leib während der elitären Reise: Anfangs ist es ihm peinlich, trotz der 5-6 üppigen Mahlzeiten an Bord den Zimmerservice zu bemühen. Damit Küche und Kellner nicht schlecht über ihn denken, verteilt er seine Unterlagen als Arbeitsalibi in der ganzen Kabine, obwohl ihn nicht die Arbeit, sondern ein sozialphobischer Anflug von den Buffets fernhielt.
Änderung nach einer Woche Luxuslager: Der Autor verschwendet keinen Gedanken mehr an seine Außenwirkung, bestellt den Zimmerservice ebenso häufig wie bedenkenlos, erwartet nur noch das Allerbeste, an dem er dann doch etwas auszusetzen findet: Tatsächlich hätte er gern ein Gürkchen mehr auf seinem Sandwich gehabt.