Buchextrakt (5) Glavinic, Thomas: Das bin doch ich
Glavinics satirischer Blick auf den Literaturbetrieb liest sich unterhaltsam und steckt voller Anspielungen auf reale Gegebenheiten, ganz offensichtlich zum Beispiel in der Namensgleichheit von Autor und Ich-Erzähler. Dennoch und trotz des Titels will „Das bin doch ich“ eben keine Autobiografie, sondern ein Roman sein.
Bei einem großen Verlag unter Vertrag zu sein, bedeutet noch lange nicht, den Schriftstellerhimmel erreicht zu haben. Das macht Glavinic deutlich, wenn er sich auf der Suche nach literarischer Anerkennung etwa mit dem Erfolg des befreundeten Schriftstellerkollegen Daniel Kehlmann auseinandersetzen muss. Denn während der erzählten Zeit erlebt Kehlmanns Vermessung der Welt gerade seinen kometenhaften Aufstieg zum Bestseller. Glavinic erfährt die aktuellen Verkaufszeilen sofort per SMS …
Die ausgeprägte Neigung des Ich-Erzählers zu Hypochondrie und Trunksucht des Ich-Erzählers (Alkohol spielt gefühlt auf jeder dritten Seite eine Rolle) fand ich ein bisschen anstrengend. Denn die Alltagsanekdoten gleiten dadurch für mein Empfinden gelegentlich ins Banale ab.
Gold sind dafür selbstironische Begebenheiten wie die folgende. Man muss dafür wissen, dass Glavinic bei seinen Besuchen auf dem Wiener Naschmarkt regelmäßig einem Bettler begegnet, dem er trotz oder wegen seines Unbehagens ebenso regelmäßig Geld gibt, ohne in näheren Kontakt mit diesem personifizierten „schlechten Gewissen“ zu treten. Anders dieses Mal:
„Am Naschmarkt begegnet mir mein schlechtes Gewissen. Wir grüßen einander, ich drücke ihm die Zwei-Euro-Münze in die Hand, er dankt und zeigt auf das Leseexemplar von Die Arbeit der Nacht, das ich mit mir trage.
„Was hast du denn da?“
„Ein Buch“, sage ich zögernd.
„Was denn für eines? Zeig her! Aaah, von Glavinic! Der ist toll! Nicht wahr?“
Fassungslos schaue ich auf seinen zahnlosen Mund.
„Kennst du sein erstes?“ fragt der Bucklige. „Den Krimi? Den Kamera … Kameramann?“
„Kameramörder?“
„So heißt er! Kameramörder“! Das ist ein tolles Buch! Hast du es gelesen?“
Ich habe nicht viel Zeit zu lesen.’“ (S. 233)