Blickfang: Vogel des Jahres 2014 – der Grünspecht
Pünktlich zum Beginn seines Ehrenjahres stolziert der Grünspecht durchs Blickfeld. Sozusagen Marketing in eigener Sache. Auf den ersten Blick möchte man ihn für einen entflogenen Papagei halten, obwohl er nicht ganz so dick aufträgt wie der Buntspecht.
Für einen optischen Exoten lebt der Grünspecht raffiniert unauffällig. In Wahrheit ist er nämlich ein ganz Bodenständiger. Lässig ignoriert er den Umstand, dass Seinesgleichen gewöhnlich im 90-Grad-Winkel an irgendeinem Baumstamm oder Hausvorsprung herumhängt und hämmert. Stattdessen läuft der Grünspecht querfeldein. Eine kluge Entscheidung allemal, denn für den Bodeneinsatz ist der Grünspecht bestens ausgerüstet. Wenn er über Wiesen und Vorgartenrasen hüpft, dient ihm sein grünes Federkleid fast als Tarnkappe. Ohne sein wippendes rotes Mützchen übersähe man ihn gänzlich.
Nach einer kleinen Beobachtungsweile verwundert, wie flink und souverän er auf den Grünflächen agiert. Der Grünspecht wackelt beim Gehen nicht albern mit dem Bürzel wie die Krähen oder hüpft hektisch wie die Meisen, als gäbe Bodenkontakt Abzug in der B-Note. Der Grünspecht geht breitbeinig wie ein Bauer übers eigene Land. Und wie dieser pflügt der Grünspecht mit erdiger Leidenschaft durch den Acker. Er bohrt seinen Schnabel tief ins Erdreich und vergällt dem dort lebenden Kleingetier den Winterschlaf.
Man fragt sich, wozu so ein Wander-Vogel überhaupt noch Flügel braucht. Schließlich scheinen ihn die „Bodenfrüchte“ doch so gut zu ernähren, dass er sich nur noch ganz gelegentlich an einen Stamm klammern muss, um wie jeder x-beliebige Specht in der Rinde zu picken. Nein, der Grünspecht unternimmt keine Höhenflüge, er ist grundsolide, um nicht zu sagen: tiefgründig in seinem eindringlichen Tun. Da fehlt eigentlich nur noch der passende Sound zur Bohrung. Vielleicht so ein umgekehrtes Brrrrttt wie beim Auftauchen des Maulwurfn? Aber das wäre wohl wieder zu auffällig für einen, der nicht ewig Vogel des Jahres bleiben will.