Maimarkt Mannheim 2017
Auf dem trubeligen Maimarkt Mannheim findet sich “Grimms Albtraum” in bester Gesesellschaft der Autoren aus Baden-Württemberg wieder – und natürlich auch am Kooperationsstand der Verlag.
Passende Passagen zum Ort gab es bei der Lesung, immerhin kannte Annette von Droste-Hülshoff Mannheim von der Durchreise nach Meersburg und vor der Walpurgisnacht durfte die Erzählung eines mystischen Erlebnisses der Droste natürlich auch nicht fehlen …
Leipziger Buchmesse 2017
Am Vorabend der Buchmesse ging es vor “Leipzig liest” erst einmal zu “Leipzig lacht“, der Cartoonlesung im Schille-Theaterhaus.
Die Lange Leipziger Lesenacht (L3) lockte am Donnerstag in die Moritzbastei. Nur am Anfang des Abends war es noch leicht, einen freien Platz zu finden…
Besonders gefiel Nora Gomringer, die sich lyrisch wie mimisch hintersinnig gab. Aus dem Gewölbekeller der Moritzbastei betrachtet wirkt das mdr-Gebäude gleich nochmal so mächtig.
In der übrigen Zeit noch hier und da in eine Lesung hineingehört und durch das immerschöne Leipzig flaniert.
Frankfurter Buchmesse 2016 – Impressionen
Um es kurz zu machen: Die Buchmesse war voll + toll.
Aber der Reihe nach: Am Samstag erst entspannt am Frankfurter Literaturbahnhof ankommen …
… und dann in den Messehallen (erstmals nach Taschenkontrolle …) ab ins Getümmel. Auf den Wogen der Besucherströme lasse ich mich zu meinem Verlag acabus treiben. Wie viel da los ist! Es freut mich, dass die acabusse beim Frankfurter Debüt gleich mitten im Geschehen sind. Erhellende Gespräche mit den Verlagsmitarbeitern und zwei weiteren acabus-Autoren, Britta Röder und Lars Schütz.
Schräg gegenüber trifft am Stand der Süddeutschen ein sehr aufgeräumter Miroslav Nemec ein und erklärt im Interview, wie er als Tatortkommissar auf die “abwegige Idee” kam, seinen ersten Krimi zu schreiben (es war der Wunsch eines befreundeten Verlegers). Zum Schluss lässt er es sich nicht nehmen, noch Kästners “Sachliche Romanze” zu intonieren.
Multimedial ist auch der Vortrag Werner Tiki Küstenmachers, der live ein paar Simplify-Strategien zeichnet und erklärt.
Am ARTE-Stand später großes Gejuchze weiblicher Fans, als Florian David Fitz auftaucht.
Von Fitz zu Fitzek: Der Thrillerautor stellt sein neues Buch Paket vor. Leider ist die Akustik im Azubibistro zumindest in den hinteren Reihen so schlecht, dass unklar bleibt, was wirklich im Paket steckt. Aber für Geheimnisse ist er ja immer gut.
Also Mittagspause und ein wenig unter fliegenden Büchern flanieren …
… und Micky Mouse ausgerechnet am DUDEN-Stand treffen (?!).
Dann rechtzeitig zur Schweizer Bank, die drei der Nominierten für den diesjährigen Schweizer Buchpreis vorstellt. Besonders gespannt auf Michelle Steinbeck, die auch auf der Longlist des Deutschen Buchpreises stand. Sehr sympathisch, dass ihr Buch “Mein Vater war ein Mann an Land und im Wasser ein Walfisch” von Träumen inspiriert ist.
Zum Schluss noch ein bisschen im Gastland gechillt: Flandern und die Niederlande projizieren Strand und Meer inklusive Akustik rund um die Ausstellungsfläche. Gelungen.
Literatour Sils-Maria
„Nun habe ich wieder mein geliebtes Sils-Maria im Engadin, den Ort, wo ich sterben will; inzwischen giebt er mir die besten Antriebe zum Noch-Leben…“ (Friedrich Nietzsche)
“… und wieder fühle ich, daß hier und nirgends anderswo meine rechte Heimat und Brutstätte ist.” (Nietzsche, Juni 1883)
Nietzsches Lieblingsort: die
„Hier […] ist mir bei weitem am wohlsten auf Erden.” (Nietzsche)
Silser Seeufer
Literatour Heidelberg mit Joseph von Eichendorff
“Ein naher Bach plauderte verwirrend in seine Gedanken herein, die Wipfel über ihm rauschten einförmig immer fort und fort; so schlummerte er endlich ein un dder Mond warf seine bleichen Schimmer über die schöne wüste Gestalt wie über die Trümmer einer zerfallenen verlornen Jugend.
Da träumte ihm, er stände auf dem schönen Neckargebiete vor Heidelberg. Aber der Sommer war vorbei, die Sonne war lange untergegangen, ihn schauerte in der herbstlichen Kühle. Nur das Jauchzen verspäteter Winzer verhallte noch, fast wehmütig, in den Tälern unten, von Zeit zu Zeit flogen einzelne Leuchtkugeln in die Luft. Manche zerplatzte plötzlich in tausend Funken und beleuchtete im Niederfallen langvergessene, wunderschöne Gegenden. Auch seine ferne Heimat erkannte er darunter, es schien schon alles zu schlafen dort, nur die weißen Statuen im Garten schimmerten seltsam in dem scharfen Licht.
Dann verschlang die Nacht auf einmal alles wieder. Über die Berge aber ging ein herrlicher Gesang, mit wunderbaren, bald heitern, bald wehmütigen Tönen. Das ist ja das alte, schöne Lied! dachte er und folgte nun bergauf, bergab den Klängen, die immerfort vor ihm herflohen. Da sah er Dörfer, Seen und Städte seitwärts in den Tälern liegen, aber alles so still und bleich im Mondschein, als wäre die Welt gestorben. So kam er endlich an ein offenes Gartentor, ein Diener lag auf der Schwelle ausgestreckt wie ein Toter. –
»Desto besser, so schleich’ ich unbemerkt zum Liebchen«, sagte er zu sich selbst und trat hinein. Dort regte sich kein Blättchen in allen Bäumen den ganzen weiten Garten entlang, der prächtig im Mondschein glänzte, nur ein Schwan, den Kopf unter dem Flügel versteckt, beschrieb auf einem Weiher, wie im Traume, stille einförmige Kreise; schöne nackte Götterbilder waren auf ihren Gestellen eingeschlafen, daß die steinernen Haare über Gesicht und Arme herabhingen. –
Als er sich verwundert umsah, erblickte er plötzlich ihre hohe und anmutige Gestalt verlockend zwischen den dunklen Bäumen hervor. »Geliebteste!« rief er voll Freude, »dich meint’ ich doch immer nur im Herzengrunde, dich mein’ ich heut!« – Wie er sie aber verfolgte, kam es ihm vor, als wäre es sein eigner Schatten, der vor ihm über den Rasen herfloh und sich zuletzt in einem dunkeln Gebüsch verlor. Endlich hatte er sie erreicht, er faßte ihre Hand, sie wandte sich. – Da blieb er erstarrt stehen – denn er war es selber, den er an der Hand festhielt. – »Laß mich los!« schrie er, »du bist’s nicht, es ist ja alles nur ein Traum!« – »Ich bin und war es immer«, antwortete sein gräßliches Ebenbild; «du wachst nur jetzt und träumtest sonst.« – Nun fing das Gespenst mit einer grinsenden Zärtlichkeit ihn zu liebkosen an. Entsetzt floh er aus dem Garten, an dem toten Diener vorüber, es war, als streckten und dehnten sich hinter ihm die erwachten Marmorbilder, und ein widerliches Lachen schallte durch die Lüfte. –
Als er atemlos wieder im Freien anlangte, befand er sich auf einem sehr hohen Berge unter dem unermeßlichen Sternenhimmel. Aber die Sterne über ihm schienen sich sichtbar durcheinander zu bewegen; allmählich wuchs und wuchs oben ein Brausen, Knarren und Rücken, endlich flog der Mond in einem großen Bogen über den Himmel, die Milchstraße drehte sich wie ein ungeheures Feuerrad, erst langsam, dann immer schneller und wilder in entsetzlichem Schwunge, daß er vor Schwindel zu Boden stürzte. Mitten durch das schneidende Sausen hörte er eine Glocke schlagen, es war, als schlüg’ es seine Todesstunde. Da fiel ihm ein, daß es eben Mitternacht sei. Das ist’s auch, dachte er, da stellt ja der liebe Gott die Uhr der Zeit. – Und als er wieder aufblickte, war alles finster geworden, nur das Rauschen eines weiten Sternenmantels ging noch durch die Einsamkeit des Himmels, und auch den Gesang, als sängen Engel ein Weihnachtslied, hörte er wieder hoch in den Lüften so über alle Beschreibung freudig erklingen, daß er vor tiefer Lust und Wehmut aufwachte.”
Aus: Viel Lärmen um Nichts (1832)
Mit Frau Droste auf die Buchmesse – und um die Welt #fbm15
Wenn sie das noch erlebt hätte – Frankfurter Buchmesse! Die ganze Welt der Literatur in Reichweite!
Also sind wir zusammen losgezogen …
Gerne wäre Annette von Droste zu Hülshoff mehr gereist, aber zu Postkutschenzeiten war das ja nicht so einfach. Auf der #fbm15 ist es ganz leicht und ein Geschenk, einmal um den Globus zu lesen.
Ein Besuch im Salon Weltempfang wäre nach ihrem Geschmack gewesen. Die Übersetzer sprachen in ihrer Borderline-Runde über Grenzverläufe der Sprache. Wir haben gelernt: Manche Übersetzer lesen rational, andere körperlich und dritte spirituell – am Ende braucht es wohl alle drei Teile, um in eine Geschichte einzutauchen und sie über Sprachgrenzen zu bringen.
Weiter gings auf der literarischen Länderreise in die Schweiz. Das Thurgau kannte Frau Droste dank ihres Schwagers ja schon und von der Meersburg am Bodensee aus blickte sie auf die Schweizer Alpen. Zum Schauplatz ihres Versepos Das Hospiz auf dem Großen Sankt Bernhard hat sie es aber leider nie geschafft – so this is swiss:
Wenn wir schon unterwegs sind, soll es aber auch noch viel weiter und bis an die Enden der Welt gehen.
Natürlich auch ins diesjährige Gastland der Buchmesse – nach Indonesien.
Der Gastland-Pavillon empfängt seine Besucher mit einer Hommage an Goethe.
Von der anderen Seite gelesen antwortet Indonesien mit dem Zitat eines eigenen Schriftstellers:
Der Pavillon ist sehr poetisch gestaltet, eine Installation für alle Sinne und unbedingt sehenswert (eine Oase im Rummel der Buchmesse!):
Die Zitate ihrer indonesischen Kollegen hätten Frau Droste wohl aus dem Herzen gesprochen:
Literatour (to be): Zürich
Nach dem Buch ist vor dem Buch und so bin ich auf Recherchereise in der Schweiz, denn unterwegs werden die Geschichten leichter.
Zürich glüht.
Asphalt wabert, als zwei Anzugmänner vors Büro in die flirrende Hitze treten und lapidar befinden: „‘s ist mild.“
Kaum angekommen, fragt man mich nach einem Antiquariat und später nach der Bibliothek. Wenn es so etwas wie eine Buchaura gibt, wird sie langsam dichter, scheint es.
Alles hält sich im Schatten.
Mein Weg führt mich ins Kunsthaus Zürich, ein kühler Ort in dieser Zeit, aber der Eingang ist die Hölle. Eines der sieben bronzenen Höllentore Rodins bewacht die Pforte, lässt dem Besucher die Dämonen dreidimensional entgegengeistern. Im Tor, dessen Gestalten Dantes Göttlicher Komödie entsprungen sind, hockt trotzdem schon der Denker, der sich erst später seinen eigenen Platz erkämpft.
Besser, man lässt die ganze Hölle rechts liegen und betritt eilig die himmlischen Hallen der Künste.
Literatour Travemünde: Kafka am Strand und Buddenbrooks’ Sommerfrische
Das Ostseeheilbad Travemünde hat von je her illustre Gäste angezogen. So wandelte Kafka nicht nur in Prag, sondern erholte sich auch an der Ostseeküste – und fiel gleich auf:
„Fahrt nach Travemünde […] Anblick des Strandes. Nachmittag im Sand. Durch die nackten Füße als unanständig aufgefallen.“
Franz Kafka, Tagebucheintrag vom 27.07.1914
Wenn er geahnt hätte, dass es dort hundert Jahre später sogar separate FKK-Strände gibt …
Nicht nur Strand, Wellen und Meer bleiben gleich durch die Zeiten, sondern auch die Viermastbark Passat, benannt nach dem günstigen Winde, ist so alt, dass Kafka sie theoretisch gesehen haben könnte, wenn sie damals nicht in Südamerika vor Anker gelegen hätte.
Travemünde ging aber auch selbst in die Literatur ein, weil die Familie Buddenbrook aus Thomas Manns gleichnamigem Roman (und nach dem Vorbild der realen Familie Mann) hier ihre Sommer verbrachte. So verlebt Tony Buddenbrook, auf der Flucht vor den Heiratsabsichten des Herrn Grünlich, den fiktiven Sommer 1845 in Travemünde und lernt bei gemeinsamen Strandwanderungen den Sohn ihrer Zimmerwirte näher kennen.
„Links befanden sich zerklüftete Abhänge aus gelbem Lehm und Geröll, gleichförmig, mit immer neu hervorspringenden Ecken, welche die Biegungen der Küste verdeckten. Hier irgendwo, weil der Strand zu steinig wurde, kletterten sie hinaus, um droben durch das Gehölz den ansteigenden Weg zum Seetempel fortzusetzen. Der Seetempel, ein runder Pavillon, war aus rohen Borkenstämmen und Brettern erbaut, deren Innenseiten mit Inschriften, Initialen; Herzen, Gedichten bedeckt waren … Tony und Morten setzten sich in eine der kleinen abgeteilten Kammern, die der See zugewandt waren und in denen es nach Holz roch wie in den Kabinen der Badeanstalt, auf die schmale roh gezimmerte Bank im Hintergrunde.
Es wurde sehr still und feierlich hier oben, um diese Nachmittagsstunde. Ein paar Vögel schwatzten, und das leise Rauschen der Bäume vermischte sich mit dem des Meeres, das sich dort tief unten ausbreitete und in dessen Ferne das Takelwerk eines Schiffes zu sehen war. Geschützt vor dem Winde, der bislang um ihre Ohren gespielt hatte, empfanden sie plötzlich eine nachdenklich stimmende Stille.“
(Thomas Mann: Die Buddenbrooks, S. 135)