Bloggertrend: Wandern für Schreibtischtäter(innen)
Frau Kaltmamsell in München fragt nach Wandervorschlägen und Herr Buddenbohm erwandert sogar das Hamburger Flachland. Grund genug, hier ein paar Lieblingstouren für Wanderausflüge vorzustellen.
Als ich vor einigen Jahren aus dem Westfälischen nach Süddeutschland gezogen bin, wäre ich nie auf die Idee gekommen, meine Streifzüge durch die Natur “wandern” zu nennen. Im Gegenteil galt es, den Begriff als gefühlte Frührentner-Freizeitaktivität unbedingt zu vermeiden. Umso größer meine Verwunderung, als ich in der damaligen Agentur einen ersten Schwarzwaldausflug vom Wochenende schilderte und die sechzehnjährige Auszubildende kommentierte: “Ach, du warst wandern! Mach ich auch gern.” Da standen mir wohl mehr Fragezeichen im Gesicht als im Text, der gerade zur Korrektur auf dem Schreibtisch lag.
Den Kulturschock überwand ich jedoch schnell und lernte, dass Wandern nicht notwendigerweise schwere Bergstiefel, ebensolche Rucksäcke und die Alpen voraussetzt. Hier gilt mehr als eine halbe Stunde spazieren als wandern, insbesondere wenn es mit einem Ziel und Proviant verbunden ist, von Nordic- Walking-Stöcke ganz abgesehen.
Mittlerweile hat aber wohl eine generell größere Begeisterung fürs Wandern viele Altersgruppen ergriffen bzw. das Reisemarketing den Wandermarkt für sich entdeckt. Ich dürfte in die Zielgruppe “Genusswanderer” fallen, sprich: Die Aussicht muss schön und die Fortbewegung angenehm sein; Schmerzgrenzen dürfen andere überwinden.
Nun aber mal konkret:
Von München aus ist die Bodenseeregion per Zug leicht erreichbar. Der See lässt sich gut mit der schottischen Methode der “3 B” umrunden, das heißt abwechselnd mit “bike, boat and boot”. Die Radwege sind hervorragend ausgebaut, der Schiffsverkehr länderübergreifend und mindestens die netten Städtchen am Ufer erkundet man ohnehin am besten per pedes.
Lindau lockt dabei übrigens nicht nur mit pittoresker Quasi-Insellage, sondern auch mit der gefühlt höchsten Buchhandlungsdichte pro Altstadtquadratmeter. Im Angebot sind übrigens vor allem Regionalkrimis.
Sollte es Frau Kaltmamsell mal wieder in die Region um Freiburg ziehen, bieten sich selbstredend klassische Schwarzwaldtouren an. Allein der Feldberg (1493 m) umfasst ein enormes Wandergebiet.
Ohne größere Anstrengung wandert man dagegen quasi direkt von Freiburg aus auf dem Bettlerpfad durchs Hexental. (Hier ein bisschen verschwommen, da der Sonne entgegengelaufen.)
Ein einladende Etappe führt ins Fauststädtchen Staufen, wo sich im roten Gasthaus Löwen die Originalvorlage von Goethes Faust bei einem Alchimistenexperiment in die Luft gejagt haben soll. Der Rauch ist verpufft, geblieben ist die Idylle:
Von dort lassen sich noch herrliche Abstecher ins nahe Münstertal unternehmen, wo Kuhglockenklänge die Luft erfüllen.
Höhepunkt und weiteres Wanderziel am Ende des Münstertals bildet der Belchen (1414 m), der mit dem Schweizer und dem Elsässer Belchen in einer bemerkenswerten geologischen Dreiecksbeziehung steht.
Meine persönliche Entdeckung der jüngsten Zeit ist darüber hinaus das Berner Oberland, vorzugsweise mit Thun als Ausgangspunkt. Für ein Wochenende lohnt sich das auch von München aus. Eisbedeckt grüßen Eiger, Mönch und Jungfrau und selbst wenn sich das Dreigestirn lieber in Nebel hüllt, bieten die näheren Bergmassive einen gewaltigen Rahmen für den weitläufigen Thuner See.
Die Präsenz der Berner Alpen spürt man auf einer Bergwanderung natürlich deutlicher, wobei die Gipfel auch mit dem gut ausgebauten (Seil-)Bahnen, Gondel- und Zahnradbahnsystem erreichbar sind. Aber wie gesagt ist der Blick von unten nach oben allemal beeindruckend. So führt am Thuner See ein abwechslungsreicher Uferweg entlang, den ich nur empfehlen kann. Vom Bahnhof gehts zunächst neben dem Schifffahrtskanal bis zum Schloss Schadau und weiter zum Strandbad Thun, einem der schönsten Panoramabädern der Schweiz. Wer nicht zum Schwimmen bleibt, kann den Uferweg noch über mehrere Etappen fortsetzen. Viel Spaß beim Wandern!