Esther Grau

inspired by dreams

Bloggertrend: Wandern für Schreibtischtäter(innen)

September29

Frau Kaltmamsell in München fragt nach Wandervorschlägen und  Herr Buddenbohm erwandert sogar das Hamburger Flachland. Grund genug, hier ein paar Lieblingstouren für Wanderausflüge vorzustellen.

Als ich vor einigen Jahren aus dem Westfälischen nach Süddeutschland gezogen bin, wäre ich nie auf die Idee gekommen, meine Streifzüge durch die Natur “wandern” zu nennen. Im Gegenteil galt es, den Begriff als gefühlte Frührentner-Freizeitaktivität unbedingt zu vermeiden. Umso größer meine Verwunderung, als ich in der damaligen Agentur einen ersten Schwarzwaldausflug vom Wochenende schilderte und die sechzehnjährige Auszubildende kommentierte: “Ach, du warst wandern! Mach ich auch gern.” Da standen mir wohl mehr Fragezeichen im Gesicht als im Text, der gerade zur Korrektur auf dem Schreibtisch lag.

Den Kulturschock überwand ich jedoch schnell und lernte, dass Wandern nicht notwendigerweise schwere Bergstiefel, ebensolche Rucksäcke und die Alpen voraussetzt. Hier gilt mehr als eine halbe Stunde spazieren als wandern, insbesondere wenn es mit einem Ziel und Proviant verbunden ist, von Nordic- Walking-Stöcke ganz abgesehen.

Mittlerweile hat aber wohl eine generell größere Begeisterung fürs Wandern viele Altersgruppen ergriffen bzw. das Reisemarketing den Wandermarkt für sich entdeckt. Ich dürfte in die Zielgruppe “Genusswanderer” fallen, sprich: Die Aussicht muss schön und die Fortbewegung angenehm sein; Schmerzgrenzen dürfen andere überwinden.

Nun aber mal konkret:

Lindau_web

Von München aus ist die Bodenseeregion per Zug leicht erreichbar. Der See lässt sich gut mit der schottischen Methode der “3 B” umrunden, das heißt abwechselnd mit “bike, boat and boot”. Die Radwege sind hervorragend ausgebaut, der Schiffsverkehr länderübergreifend und mindestens die netten Städtchen am Ufer erkundet man ohnehin am besten per pedes.

Lindau lockt dabei übrigens nicht nur mit pittoresker Quasi-Insellage, sondern auch mit der gefühlt höchsten Buchhandlungsdichte pro Altstadtquadratmeter. Im Angebot sind übrigens vor allem Regionalkrimis.

Sollte es Frau Kaltmamsell mal wieder in die Region um Freiburg ziehen, bieten sich selbstredend klassische Schwarzwaldtouren an. Allein der Feldberg (1493 m) umfasst ein enormes Wandergebiet.

Ohne größere Anstrengung wandert man dagegen quasi direkt von Freiburg aus auf dem Bettlerpfad durchs Hexental. (Hier ein bisschen verschwommen, da der Sonne entgegengelaufen.)

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Ein einladende Etappe führt ins Fauststädtchen Staufen, wo sich im roten Gasthaus Löwen die Originalvorlage von Goethes Faust bei einem Alchimistenexperiment in die Luft gejagt haben soll. Der Rauch ist verpufft, geblieben ist die Idylle:

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Von dort lassen sich noch herrliche Abstecher ins nahe Münstertal unternehmen, wo Kuhglockenklänge die Luft erfüllen.

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Höhepunkt und weiteres Wanderziel am Ende des Münstertals bildet der Belchen (1414 m), der mit dem Schweizer und dem Elsässer Belchen in einer bemerkenswerten geologischen Dreiecksbeziehung steht.

Staufen-Belchen

Meine persönliche Entdeckung der jüngsten Zeit ist darüber hinaus das Berner Oberland, vorzugsweise mit Thun als Ausgangspunkt. Für ein Wochenende lohnt sich das auch von München aus. Eisbedeckt grüßen Eiger, Mönch und Jungfrau und selbst wenn sich das Dreigestirn lieber in Nebel hüllt, bieten die näheren Bergmassive einen gewaltigen Rahmen für den weitläufigen Thuner See.

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Die Präsenz der Berner Alpen spürt man auf einer Bergwanderung natürlich deutlicher, wobei die Gipfel auch mit dem gut ausgebauten (Seil-)Bahnen, Gondel- und Zahnradbahnsystem erreichbar sind. Aber wie gesagt ist der Blick von unten nach oben allemal beeindruckend.  So führt am Thuner See ein abwechslungsreicher Uferweg entlang, den ich nur empfehlen kann. Vom Bahnhof gehts zunächst neben dem Schifffahrtskanal bis zum Schloss Schadau und weiter zum Strandbad Thun, einem der schönsten Panoramabädern der Schweiz. Wer nicht zum Schwimmen bleibt, kann den Uferweg noch über mehrere Etappen fortsetzen. Viel Spaß beim Wandern!

Alma

Januar9

Neue Tradition: All Hallow’s Read

Oktober31

Neil Gaimann begründet eine neue Tradition zu Halloween – Bücher verschenken (am besten mit Gruselfaktor):

via Isabel Bogdan und Anne Schüßler

Goethes Elefant, Einhörner und eine Bibliothek, die gar keine ist: Ottoneum in Kassel

August14

Im Kassler Ottoneum hat mich die Dauerausstellung des Naturkundemuseums mehr begeistert als die Exponate der documenta (13). Wo werden sonst schon mal Einhörner ausgestellt?

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Bei den „Beweisstücken“, die Expeditionen aus dem Norden mitbrachten, handelte es sich jedoch nicht um fabelhafte Hörner, sondern um Zähne des Narwals.  Diese sehr langen, dünnen  und spiralig gedrehten Zähne sind trotzdem ein kleines Wunderwerk: Untersuchungen ergaben erst in jüngster Zeit, dass die Wale diesen Zahn als Sinnesorgan für Hydrodynamik benutzen.

Wer an Dino-Skeletten und ausgestopften Mammuts in einem museumspädogogisch wertvollen Umfeld umherschlendert, entdeckt auch den Goethe-Elefanten (1773-1780). Er war nicht das Haustier des Dichters, sondern verbrachte sein Leben im Tierpark des Landgrafen Friedrich II in Kassel, wo er zum Publikumsliebling avancierte.  Berühmt wurde er aber erst nach seinem Tod, weil Goethe den Elefantenschädel  im Rahmen seiner naturwissenschaftlichen Studien zum Zwischenkieferknochen untersuchte. Damals glaubte man nämlich, dass dieser nur bei Säugetieren, nicht aber beim Menschen vorkäme. Mensch und Affe wären damit nicht nur geistig, sondern auch anatomisch verschieden.  Allerdings fand Goethe besagten Zwischenkieferknochen dann doch beim Menschen.  Seine Ergebnisse beendeten die Diskussion jedoch nicht  – Weltbilder lassen sich ja bekanntlich nicht so einfach über Bord werfen …

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Zu meiner Überraschung finde ich schließlich eine Bibliothek im Ottoneum, wenigstens sieht sie so aus. Die Einbände sind aus Holzrinde gemacht, bei näherem Hinsehen stecken aber gar keine Buchseiten zwischen den Deckeln. Die Schildbachsche Holzbibliothek ist in Wirklichkeit eine Xylothek, das heißt eine Naturaliensammlung, die in hölzernen Sammelkästen kleine Schätze verbirgt.  Ihre über 500 Bände zeigen Holzgewächse, wie sie Ende des 18. Jahrhunderts in Kassel zu finden waren.

Auf dem Weg zur documenta-Halle dann der unvermeidliche  –  internationale  – Hinweis auf das kulinarische Angebot:

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Motormeditationen, Sci-Fi-Feeling, Wasser- und Bilderfluten: Nachlese zur documenta

August3

In der documenta-Halle:

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Im „Limited Art Project“ des Chinesen Yan Lei (188) betritt der Besucher einen Raum voller Bilder – sie hängen übereinander an meterhohen Wänden, von der Decke, im Magazin. Insgesamt fischte der Künstler während eines Jahres intuitiv  360 Bilder aus dem Internet und zog sie auf Leinwand, um die Bilderflut des schnellen Mediums analog zu dokumentieren und ihr Dauerhaftigkeit zu verleihen. Schöne Idee.

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Motoren_web

Thomas Bayrle (25) kombiniert in seinem Projekt diverse Automotoren mit spirituellen Soundinstallationen. Die rotierenden Motoren gehen eine gebetsmühlenartige Synthese mit den Klängen eines Rosenkranzgebetes ein, die in dem riesigen, weißen Raum verhallen.  Wie ein modernes Mantra in einem virtuellen Raum der Matrix. Sehr fremdartig, aber überraschend stimmig.

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Die Koreaner MOON Kyungwon und JEON Joonho (119) inszenieren auf Videoleinwänden „Das Ende der Welt“. Tatsächlich ist es ein Zukunftsszenario und zur Gruppenausstellung gehören auch die  Designerarbeiten von Takram, die sich rund um die Ressourcennutzung des Wassers in 100 Jahren drehen. Shenu – Hydrolemic System weckt mit  stylischen Körperergänzungen, die das Wasseroutput des Körpers mit Nasen- und Blasenimplantaten wiederaufbereiten, Sci-Fi-Feeling. Sozusagen die körperinterne Variante zu den Wassersparanzügen der Wüstenbewohner aus Dune.

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Die Inderin Nalini Malani (108) kreierte „In Search of Vanished Blood“, eine Video-Schattenspiel-Installation mit Gedichttexten aus dem Off. Die Multimediadarbietung beschäftigt sich mit defensiver vs. aggressiver Gewalt. Trotz der ernsten Thematik und der als „provokativ“ ausgewiesenen Umsetzung empfand ich die Installation mit Sogwirkung durchaus poetisch.

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Tote Fliegen, steinerne Bücher, fliegende Quanten: Nachlese zur documenta (13)

Juli31

Wie erzeugt man Spannung? Auf der documenta (13) in drei wirksamen Varianten: Man entzieht Ausstellungsstücken den Besucherblicken, um  a) einen Guckkasten davor zu bauen, vor dem sich alle drängeln, b) sie mit Tücher abzudecken, die der Besucher nur einzeln lüften kann oder c) den Zugang zum Raum zu limitieren, sodass die Warteschlange andere neugierig macht.

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Fridricianum am Friedrichsplatz

Das Erdgeschoss des Fridericianums empfängt den Besucher leer. Nichts als Wind und Töne schweben durch die weißen Räume. Ryan Ganders „leichte Brise“ (67) spricht an heißen Sommertagen auch die weniger Kunstinteressierten an.

Zu sehen gibt es erst einmal wenig, wenn man von der Schlange absieht, die für „The Brain“ ansteht. Die Rotunde beherbergt das Gehirn der Ausstellung,  ein buntes Kuriositätenkabinett diverser Objekte quer durch die Jahrtausende, darunter auch die vielzitierten Habseligkeiten Hitlers.

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Im Obergeschoss irritiert mich Ida Applebroog (13). Ihr Raum ist voller Papiere „zum Mitnehmen“.  Handschriftliche Notizen, Briefe, Zettel, persönliche Fetzen aus fremden Leben, die sich für mich zu intim anfühlen, um sie wirklich zu behalten.  Von den Wänden starren affengesichtige Menschen und sozialkritische Statements.

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Ein paar Schritte weiter betrete ich einen Physikraum (192).  Ein meterlanges Whiteboard mit mathematischen Formeln vermittelt Laboratmosphäre. Auf  Tischen sind kleine Aufbauten arrangiert, die die wichtigsten Experimente der Quantenphysik wie z. B. das Doppelspaltexperiment zeigen.

Die Experimente sind erstaunlich überschaubar, erinnern eher an Physikunterricht als an die Revolution eines Weltbildes. Mittendrin der Physiker Anton Zeilinger, der den vielen Fragenden Rede und Antwort steht. Trotzdem zeugt der vorherrschende Ausdruck auf den Besuchergesichtern von Ratlosigkeit.  Neben den Experimenten liegen große Schreibblöcke, die ausdrücklich dazu ermuntern, Feedback aufzumalen oder zu notieren. Neben Blümchen, Bäumen und Explosionen prangt ein großes HÄ?

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Schließlich komme ich an einem Glaskasten vorbei, der von allen Seiten fotografiert wird. Was stellt er aus? Tote Fliegen. Kurz fühle ich das Vorurteil der Absurdität moderner Kunst bestätigt. Doch es steckt natürlich mehr dahinter. Pratchaya Phinthongs „Sleeping Sickness“ (136) zeigt ein Pärchen Tsetsefliegen, die in Afrika die Schlafkrankheit epidemieartig verbreiten. Die Fliegenpopulation – und damit auch die Krankheitsausbreitung – durch Fallen einzugrenzen, ist Anliegen des Künstlers.

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Im Zwehrenturm wartet noch ein feines Projekt: Bücher –  nicht aus Papier, sondern aus Stein. „What Dust Will Rise?“ (144) des Künstlers Michael Rakowitz zeigt mit den Steinmetzarbeiten Stellvertreter der originalen Exemplare aus der kurhessischen Landesbibliothek, die früher im Fridericianum aufbewahrt und bei einem Bombenangriff im Zweiten Weltkriege größtenteils zerstört wurde.  Ein paar letzte, fast verkohlte Exemplare sind als letzte Überbleibsel auch ausgestellt. Die übrigen erinnern gleichsam als Grabsteine an diese Bücherverbrennung.

Der Stein (Travertin), aus dem die  Rekonstruktionen gemacht sind, erzählt noch eine andere Geschichte: Er stammt von zwei Buddhafiguren, die in den Bergen von Bamiyan von den Taliban gesprengt wurden.

Mehr im nächsten Bericht zur documenta (13) …


Steampunk – mit Volldampf durch die Zeit

Mai23

Wer gern in die Lebenswelt eines  Sherlock Holmes eintaucht, Jules Vernes In 80 Tagen um die Welt und H. G. Wells Zeitmaschine mag, findet mit einiger Wahrscheinlichkeit Gefallen am Steampunk. Die faszinierende Subkultur, die auch ein literarisches Genre ist, macht in letzter Zeit wieder von sich reden.

Steampunk-Literatur orientiert sich zumindest in seiner Ästhetik an der viktorianischen Zeit, spinnt von dort aber die Entwicklung einer alternativen Zukunft aus. Die namensgebenden Dampfmaschinen sind in solchen Szenarien die vorherrschende Technik. Sie treiben skurrile Erfindungen an und es wimmelt von Luftschiffen.

Das Genre lebt von seiner atmosphärischen Dichte, deren Reiz im Zusammentreffen von futuristischen und (pseudo-)historischen Elementen besteht. Die Zeit fasste das Genre kürzlich als Retrofuturismus zusammen.  Ein Fernsehbericht auf Einsplus berichtete ebenfalls von den Zeitreisen der Steampunker. Allzu klar lassen sie sich nicht beschreiben, weil es viele Subgenres gibt  (Cyberpunk, Dieselpunk etc.). Am besten schwelgt man einfach ein bisschen in den Bildern und Geschichten und verschafft sich einen eigenen Eindruck.

Im deutschsprachigen Raum informiert das Online-Magazin Clockworker fortlaufend über die Steampunkszene.

Das schön illustrierte Steampunk Magazine (kostenloses PDF) bietet neben Steampunk-Geschichten zum Schmökern auch Interviews und Essays.  Interessant fand ich außerdem den Bericht über den New York Victorian Street Slang, wooden coat nannte man zum Beispiel einen Sarg.

Zur Ehre echter Steampunker zählt das eigene Anfertigen ihrer oft aufwändigen Kostüme und technischen Apparaturen. Dazu gehört schon ein bisschen mehr handwerkliches Geschick, als nur ein Zahnrad aufzukleben und es Steampunk zu nennen …


The Fantastic Flying Books of Mr. Morris Lessmore

Mai9

Animierter Kurzfilm – zu Recht preisgekrönt.


DreamGiver

April13

Wie Träume entstehen und warum die Nachtlektüre gut gewählt sein will …

Oh, the places you’ll go

Februar10

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